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Abwicklung der Pflegekammer Niedersachsen?

Während in NRW Aufbauarbeit geleistet wird droht die Pflegekammer im benachbartem Bundesland Niedersachsen nun das "Aus"!

Der Pflegerat NRW bringt in einem offenen Brief an die zuständige Ministerin Carola Reimann seine Besorgnis zum Ausdruck: 

Sehr geehrte Frau Ministerin Reimann!

Als benachbartes Bundesland haben wir seit vielen Jahren die ja zunächst sehr positive Entwicklung in Niedersachsen verfolgt. Meilensteine waren im Jahr 2015 die Einrichtung der Gründungskonferenz, im Jahr 2017 die Verabschiedung des Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen und im August 2018 die Übergabe durch den Errichtungsausschuss an die gewählte Kammerversammlung. Zur Pflegekammer Niedersachsen heißt es auf Ihrer Homepage:

 „Ein vordringliches Ziel der Landesregierung ist es, das Selbstverständnis und die gesellschaftliche Anerkennung des pflegerischen Berufsstandes positiv zu verändern. Die Pflegekammer nimmt hierbei ergänzend zu Gewerkschaften und Berufsverbänden eine wichtige Funktion wahr. Sie ist eine demokratisch legitimierte berufspolitische Vertretung, der alle Pflegefachkräfte angehören, die in Niedersachsen ihren Beruf ausüben. Damit ist sie die größte Heilberufekammer in Niedersachsen und kann die Interessen der Pflege mit starker Stimme vertreten.“  Bis dahin haben wir als Pflegerat in NRW die Situation im benachbarten Bundesland freudig beobachtend begleitet. Durch die Entwicklung in Niedersachsen und natürlich auch in Schleswig-Holstein wurde Kammerentwicklung in NRW durchaus gefördert.

Im Kontext des politischen Wechsels und wohl auch mit Blick auf die zunehmenden Proteste entstand dann der politische Gedanke im Jahr 2020 eine Evaluation durchzuführen. Diesen Entschluss haben wir mit großer Sorge betrachtet, ist es doch offensichtlich, dass die Pflegekammer in einer solch kurzen Zeit von knapp 2 Jahren und im Kontext vieler Faktoren, wie Fachkräftemangel, niemals die Chance hat, für die Pflege vor Ort spürbare Veränderungen herbeizuführen. Und etwa 90.000 Mitglieder aus einer Berufsgruppe mit einem traditionell sehr geringen Organisationsgrad überzeugend zu erreichen, benötigt definitiv deutlich mehr Zeit.

Ein Vergleich: Im Moment verhalten Sie sich so wie eine Medizinerin, die einen Patienten nach 3 Tagen Einnahme eines Langzeitantidepressivums nach der Wirkung befragt und das Medikament absetzt, weil der Patient keine Wirkung verspürt.

Im September 2019 ist die Fa. Kienbaum mit der Evaluation der Pflegekammer beauftragt worden. Die Ergebnisse sollen Ende 2020 vorliegen. Die Onlinebefragung der Kammermitglieder hat am 03.06.2020 begonnen. Mitte Juni musste diese leider gestoppt werden. Manipulationsverdacht und Datenpanne wurden öffentlich diskutiert (Rundblick Niedersachsen 17. Juni 2020). Sie haben betont: „Schon der leiseste Verdacht, dass einzelne Fragebögen möglicherweise manipuliert worden sein könnten, diskreditiert diese so wichtige Befragung im Ganzen” . Auch die jetzige Befragung wurde an vielen Stellen kritisiert. In Medien wurde diskutiert, dass nicht jede Pflegekraft Zugangsdaten erhalten habe.

Bei dieser Vorgeschichte liegt völlig klar auf der Hand, dass die Beteiligung sehr gering ist und davon die Kammergegner deutlich profitiert haben. Es sind eben insbesondere die Gegner der Pflichtmitgliedschaft gewesen, welche hier aktiv die Chance ergriffen haben, meinungsbildend tätig zu werden und gegen die Kammer zu stimmen.

Auf dieser Basis die Pflegekammer abzuwickeln, ist aus unserer Sicht ein sehr schwerwiegender Fehler, welcher nachhaltig Schaden im Bundesland mit Wirkung auf die Pflege in ganz Deutschland haben wird. Ihr vordringliches Ziel das Selbstverständnis und die gesellschaftliche Anerkennung des pflegerischen Berufsstandes positiv zu verändern, wird hierdurch völlig konterkariert. Genau das Gegenteil wird erreicht.

Die aktuelle Situation mit einer möglichen Überforderung unserer Gesundheitssysteme erfordert eine starke Vertretung der Pflege, nur so ist eine Mitsprache und Reaktion auf diese Krise möglich. Klar zeigen sich die Vorteile der durch Pflegekammern initiierte Schulungsprogramme und Absprachen mit den Landesbehörden. Die Pflegekammer Rheinland-Pfalz agiert hier mit einer zentralen Meldestelle für freiwillige kurzfristige Berufsrückkehrer und Kurz-Schulungsprogrammen zur Vorbereitung vorbildlich. 

Die Rückabwicklung einer Landespflegekammer gefährdet Patienten, Erkrankte, Pflegende und die gesamte Bevölkerung in Zeiten einer globalen Pandemie!

Wir fragen uns und richten diese Frage daher nun an Sie als zuständige Ministerin:

War es vielleicht gar politischer Wille, eine starke Stimme der Pflege als größte Heilberufekammer in Niedersachsen wieder wirkungslos und stumm werden zu lassen?

  Aus Sicht der Vertretung der Pflege im Nachbarland NRW ziehen wir das Fazit:

Die Pflegekammer Niedersachsen hat schlichtweg keine Chance bekommen, denn auch ohne die Fehler (viel zu späte Anschubfinanzierung) und Holprigkeiten am Start ist jede ernstgemeinte Evaluation zu einem solch frühen Zeitpunkt absolut sinnfrei. Wenn darüber hinaus noch die Erhebung fehlerhaft startet, gestoppt und dann verändert neu begonnen wird, ist ein solches Ergebnis zu erwarten. Wir fragen uns: War dieses ein Wunschergebnis? Das wäre ja eine mögliche Erklärung.

Der Schaden in der Pflegewelt nicht nur in Niedersachsen ist enorm!

Wir bitten Sie daher dringlich, von diesem Irrweg abzukehren und der Pflegekammer Niedersachsen eine realistische Chance zu geben, das von Ihnen artikulierte Ziel zum Berufsstand der Pflege mit politischer Unterstützung zu erreichen! Das wird in einem System der Selbstverwaltung nur auf diesem Wege möglich sein. Ganz sicher würden Sie auch nicht auf die Idee kommen, die anderen Kammern im Gesundheitswesen abzuwickeln.

In Nordrhein-Westfalen werden wir den ja in diesem Monat beginnenden Prozess der Errichtung der Pflegekammer nun noch intensiver zum Erfolg begleiten. Die Fehler in Niedersachsen werden wir in NRW nicht wiederholen.

Mit freundlichen Grüßen

Ludger Risse

Quellen und weiterführende Infos:

Nds. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

eppendorfer. kammer-krimi-naechster-akt

Pflegekammer Niedersachsen Presse