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Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“

 

 Das verabschiedete „Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ – Eine kritische Bestandsaufnahme aus dem Pflegerat NRW und der BFLK NRW durch die pflegepolitische Brille 

 

Werne/Bochum. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat während einer Plenarsitzung am 30. November 2016 nach einer fast zweijährigen Evaluierungsphase den Gesetzentwurf zum „Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ in der Fassung der Beschlussempfehlung in 2. Lesung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und PIRATEN verabschiedet. Marion Brand als Vorsitzende der Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie (BFLK) e.V. im Landesverband NRW und Matthias Krake als stellvertretender Vorsitzende des Pflegerats NRW erkennen bei ihrer Bestandsaufnahme der pflegespezifischen Gesetzesanteile durch die pflegepolitische Brille positive Aspekte, sie überkommt aber auch ein Gefühl der Verwunderung und sie richten ihren Blick auf offene Fragen. Positiv wird die Änderung des Rollenbegriffs Sitzwache in „Persönliche Bezugsbegleitung“ gesehen. Damit würdigen die Landespolitiker die in den NRW-Kliniken etablierten Pflegesysteme für eine interaktive Beziehungsgestaltung zwischen Patienten und Bezugspflegenden. Verwunderung hat im § 20  „Besondere Sicherungsmaßnahmen“ Absatz 1 das Festhalten der Politik an der Intervention des Festhaltens als Alternative zur Intervention der Fixierung ausgelöst. Nachdem sich während der Öffentlichen Anhörung im Fachausschuss am 31. August mehrere Verbände kritisch zu der Intervention des Festhaltens geäußert und auch im Nachgang der Anhörung fraktionsübergreifend Landtagsabgeordnete ein Gegenlenken signalisiert hatten, wurde ein Oppositionsantrag auf Streichung der Intervention bereits am 23. November 2016 während der Beratungen des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales für die Beschlussempfehlung und den Bericht nach der Öffentlichen Anhörung negativ beschieden. Aus Kreisen der Landtagsabgeordneten ist zu vernehmen, dass Ministerin Barbara Steffens auf den letzten Metern der parlamentarischen Beratung nochmals maßgeblichen Einfluss auf einzelne Gesetzesanteile genommen hat. Dieser persönliche Einsatz für eine Gesetzestextverankerung täte verwundern, da Vertreter aus nordrhein-westfälischen Kliniken, in denen die Sicherungsmaßnahme eingeführt wurde, von Akzeptanzproblemen bei den Pflegenden und einer niedrigen Praxisdurchdringung berichten. „Ein Gesetz wird so zum Fachbuch für psychiatrische Pflege, weil die Politik den Entscheidungsträgern in psychiatrischen Einrichtungen nicht zutraut, vor Ort adäquate Pflegemaßnahmen für die Begleitung fixierter Patienten und Patientinnen mit einer Unterbringung nach PsychKG festzulegen und umzusetzen“, wiederholen Marion Brand und Matthias Krake einen bereits im Evaluierungsprozess des PsychKG NRW mehrfach geäußerten Vorwurf. 

Offene Fragen haben die Politiker des Landtags  im § 20 Absatz 3  hinterlassen. Die nun im Gesetzestext zu findenden Passage „Bei Fixierungen ist eine ständige persönliche Bezugsbegleitung sowie die Beobachtung mit kontinuierlicher Kontrolle der Vitalfunktionen sicher zu stellen“ erinnert in ihrer fehlenden Klarheit an die Vorgängerformulierung aus der Gesetzesänderung vom 22. November 2011. Welche Qualifikation besitzt die „Persönliche Bezugsbegleitung“? Von welchem Ort aus begleitet die „Persönliche Bezugsbegleitung“ den fixierten Patienten bzw. die fixierte Patientin? Werden abhängig von der Krankheitssymptomatik des einzelnen Patienten bzw. der einzelnen Patientin individuelle Festlegungen beim Tätigkeitsprofil einer „Persönlichen Bezugsbegleitung“ und beim Aufenthaltsort möglich sein? Zu diesen und anderen offenen Fragen waren von den Politikern im Evaluierungsprozess mehrfach Antworten eingefordert worden. Diese werden nun durch einen Erlass aus dem MGEPA erwartet. BFLK und Pflegerat werden im Vorfeld der Festlegungen ihre Erwartungen und bisherigen Lösungsansätze im Ministerium zu platzieren versuchen. 

Mit Erstaunen stellen Marion Brand und Matthias Krake grundsätzlich die geringe Berücksichtigungsquote von Erweiterungs- und Optimierungsvorschlägen aus der Öffentlichen Anhörung im verabschiedeten Gesetzestext fest. Damit zeigen sie ein gewisses Verständnis für die heutigen Oppositionsvertreter im Düsseldorfer Landtag, die sich das „Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ bereits auf Wiedervorlage für die nach den NRW-Landtagswahlen am 14 Mai 2017 beginnende neue Legislaturperiode gelegt haben. In diesem Zusammenhang verweisen die beiden politischen Psychiatrieexperten auf das von ihnen im Evaluierungsprozess mehrfach geforderte Forschungsprojekt „Grundlagen des pflegerischen Wirkens bei Patienten bzw. Patientinnen mit einem Unterbringungsbeschluss nach PsychKG“, mit dem die allgemeine Ausgestaltung der pflegerischen Beziehungsarbeit, die pflegerische Krisenbegleitung bei Patienten und Patientinnen zur Vermeidung von Sicherstellungen oder eine patientengerechte Präsenz von Pflegenden bei Patienten bzw. Patientinnen in einer Sicherstellung untersucht werden können. „Gesicherte Forschungsergebnisse müssten den für Pflege verantwortlichen Entscheidungsträgern in psychiatrischen Einrichtungen anschließend direkt für eine hausspezifische Implementierung zur Verfügung gestellt werden, ohne dass hierfür noch der Umweg über einen Gesetzestext notwendig wird. Mit diesem subsidiären Ansatz könnten die Gesundheitspolitiker und Gesundheitspolitikerinnen in NRW insofern ihrer besonderen Verantwortung für Patienten und Patientinnen mit einer Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen gerecht werden, indem sie professionell Pflegenden neueste Erkenntnisse aus den Bezugswissenschaften für ihre patientenorientierte Pflege ermöglichen“ betonen Marion Brand und Matthias Krake am Ende ihrer Betrachtung zum PsychKG NRW in der Fassung vom 30. November 2016.

Marion Brand Vorsitzende der BFLK e.V. im Landesverband NRW

Matthias Krake Vertreter der BFLK e.V. und stellvertretender Vorsitzender im Pflegerat NRW  

Literaturhinweisweis aus dem Landtag von NRW:

(https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-13551.pdf)