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Pflegekammer NRW: Urabstimmung von SPD und Grünen in die Diskussion eingebracht. Aktueller Entschließungsantrag

Zum Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90 / Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag vom 07.02.2017
(Drucksache 16/11224 sowie Beschlussempfehlung und Bericht 16/14183) nimmt der Pflegerat NRW wie folgt Stellung:

Der o.g. Entschließungsantrag wurde uns freundlicherweise durch den Abgeordneten Herrn Günter Garbrecht in seiner Funktion als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Landtages NRW übermittelt. Erfreut können wir feststellen, dass hinter diesem Entschließungsantrag die ernste Absicht steht, nach der Klärung der vorgelegten Fragen den Prozess der Kammererrichtung in Nordrhein-Westfalen weiter voranzutreiben.

Es ist allen Beteiligten hinreichend bekannt, dass wir als Landespflegerat mit allen beteiligten Verbänden diesen Weg für unverzichtbar halten, um die Pflegesituation in unserem Land nachhaltig zu stärken. Wir alle wissen, welche gewaltige gesellschaftliche Herausforderung die Bereitstellung pflegerischer Expertise zur Begegnung der Pflegebedarfe birgt. Zur Diskussion zum Entschließungsantrag möchten wir zu einigen Punkten unsere Sichtweise darlegen und Sie bitten, diese im Entscheidungsfindungsprozess zu bedenken.

I. Ausgangssituation

Die Beschreibung der Ausgangssituation wird von uns weitestgehend geteilt, auch die darin beschriebenen Ansätze zu einer alltagstauglichen und vernünftigen Personalbemessung werden von uns grundsätzlich geteilt. In Anbetracht der Schwierigkeit ein solches Instrument zu erstellen, bieten wir unsere Fachkompetenz diesbezüglich gerne an.

II. Interessenvertretung der Pflege stärken

Hier wird ein wichtiger und richtiger Punkt aufgeführt, dass die Errichtung einer  Pflegekammer im Kontext der Stärkung der Pflege diskutiert wird. Das sehen wir grundsätzlich als richtig an. Wir möchten aber folgendes im Besonderen betonen: Die Errichtung einer Pflegekammer wird seit vielen Jahren von uns gefordert, um den primären Auftrag einer Kammer, dem Schutz des pflegebedürftigen Menschen gegen unzureichend qualifizierte Pflegepersonen gerecht zu werden.

Aus unserer Sicht geht es nicht in erster Linie darum, die Interessenvertretung der Pflege zu stärken, sondern darum die Menschen, die sich in einer hilfsbedürftigen oder hilflosen Situation befinden, davor zu schützen durch unqualifizierte Pflege Schaden zu erleiden. Dieses ist der primäre Zweck und die Legitimation einer Pflegekammer, analog zum bestehenden Kammerwesen im Gesundheitssektor. Aus diesem Selbstverständnis des Landespflegerates entwickelt sich primär die Forderung nach einer Kammer! Selbstverständlich ist es so, dass die genannten weiteren Ziele, wie die zukunftsorientierte Qualitätssicherung, die Regelung der pflegeberuflichen Fort- und Weiterbildung, die Schaffung einer Berufsordnung und einer Berufsethik, originäre Aufgaben einer Pflegekammer sind. Darüber hinaus wird die Kammer als ein konstruktives Selbstverwaltungsgremium im Gesundheitswesen u.a. beratend an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Aber auch diese Aspekte unterliegen dem primären Ziel des Schutzes der pflege- und hilfsbedürftigen Menschen in unserem Land.

Treffend wird II. Absatz 4 festgehalten, welche Aufgaben von der Kammer nicht berührt werden, da dieses nach wie vor Aufgaben der Berufsverbände und der Gewerkschaften bleiben. Der Vierklang des Zusammenwirkens von hoheitlichen Instanzen, Gewerkschaften, Berufsverbänden und der Pflegekammer kann in der Summe erheblich dazu beitragen, die Berufszufriedenheit und Berufsattraktivität zu verbessern, um damit auch mehr Menschen für die Pflegeberufe zu gewinnen und längerfristig im Beruf zu halten. Dies trägt erheblich zur Sicherung der Versorgungssituation in unserem Land bei. Insofern freuen wir uns, dass als ein Ergebnis der Anhörung vom 26.10.2016 deutlich geworden ist, dass die Errichtung einer Pflegekammer als effektiver zukunftsorientierter Schritt zur Stärkung der Pflege bewertet werden kann.

Anhörung zur Errichtung einer Pflegeberufekammer in NRW
Die Fraktionen SPD und die Grünen verbinden die notwendige Urabstimmung mit einem Abstimmungsquorum. Dieses wird als unverzichtbar beschrieben. Dabei sind aus unserer Sicht die folgenden Aspekte bedeutsam:

1.   Selbstverständlich sind auch wir der Meinung, dass die Errichtung einer Pflegekammer von den Berufsangehörigen selbst mitgetragen werden muss.

  1. Wir teilen die Einschätzung, dass vor einer Befragung unbedingt eine objektive Information der zu Befragenden zu erfolgen hat, die von neutraler Stelle alle sachlich überprüfbaren Aspekte sowohl der Kammerbefürworter als auch der Kammergegner verständlich dargelegt. Wir können derzeit nicht davon ausgehen, dass in den verschiedensten Einrichtungen der Pflege tätige Berufsangehörige der Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege sowie der Altenpflege hier flächendeckend ausreichend informiert sind. Allerdings stellen wir immer wieder fest, dass die informierten Pflegenden von dem Weg in die Kammer überzeugt sind.

3.    Es muss sichergestellt werden, dass für eine Urabstimmung jeder der gut 195.000 Berufsangehörigen in unserem Land Gelegenheit erhält, an der seitens des Landes durchzuführende und zu finanzierende Informationskampagne teilzuhaben. Aufgrund einer bisher nicht existenten Datenbank resultiert daraus sicher ein deutlicher finanzieller Aufwand für Information und Befragung. Dieser muss im Landeshaushalt berücksichtigt werden.

4.   Die Form der Urabstimmung mit Quorum muss sehr sorgfältig bedacht werden, wir halten diese Form der Befragung für ungeeignet, es fehlen sämtliche Erfahrungen zur Urabstimmung. Es liegt keine Datenbank der zu Befragenden vor, dieses ist aber eine zwingende Voraussetzung, vor allem wenn ein Quorum ermittelt werden soll. Somit sind die Berufsangehörigen nur über den Weg der Einrichtungen, und nicht persönlich erreichbar. Das wiederum setzt die Kooperation der Einrichtungen voraus, die nicht in jedem Fall gegeben sein wird. Da somit nicht garantiert werden kann, dass die einer Einrichtung zugeordneten Pflegepersonen die für die Urabstimmung und Information notwendigen Unterlagen erhalten kann es kein Abstimmungsquorum geben.

 5. Die Befragung kann nur durch ein renommiertes Institut mit tiefen Kenntnissen über die Pflegeberufe und die sehr unterschiedlichen Strukturen der verschiedenen Einrichtungen einschließlich der Freiberufler durchgeführt werden.

 6. Zur Umsetzung der vorgenannten Aspekte fordern wir die Einrichtung einer durch den Landeshaushalt finanzierten Gründungskonferenz für eine Pflegekammer NRW nach rheinland-pfälzischen Vorbild.

Abschließend begrüßen wir, dass die politische Diskussion um die Errichtung einer Pflegekammer in NRW nun von allen Seiten intensiv und konstruktiv geführt wird und so eine spürbare Bewegung in die Stärkung der Pflege gekommen ist. Die Gründung einer Landespflegekammer NRW ist auch angesichts der Entwicklung in den umliegenden Bundesländern, insbesondere Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, unverzichtbar. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten zwei Jahren sich die Bundespflegekammer gründet um weitere wichtige Aufgaben der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen wahrzunehmen. Es ist unverzichtbar, das NRW hier vertreten ist, dazu ist die Pflegekammer eine zwingende Voraussetzung. Auch das Bundesland Bayern wird nicht mit der Bundespflegekammer vernetzt werden, da der Pflegering zwar eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein wird, aber kein Organ der Selbstverwaltung darstellt.

In diesem Sinne begrüßen wir die aktuellen politischen Entwicklungen und werden, auch im Kontext der bevorstehenden Wahlen, diesen Prozess aktiv mitbegleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ludger Risse                                                                                                    Vorsitzender

 Den Entschließungsantrag finden sie hier: https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-14191.pdf